Samstag, 10. September 2016

Elena Ferrante - Meine Geniale Freundin

Lassen wir mal den Hype, das lächerlich betitelte #FerranteFever, beiseite. Den einzigen Einfluß, den dieser auf mich gehabt hat, war, dass ich ihn prüfen wollte und mir also dieses Buch zugelegt habe. Völlig irrelevant ist er aber auf meine Bewertung des Buches.

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Also geschwind zum Inhalt: Neapel, das Unterschichtenviertel, die Fünfziger Jahre. Im Mittelpunkt stehen zwei Mädchen, zu diesem Zeitpunkt gerade Kindergartenkinder: Elena und Lila. Weiterhin einige andere im Viertel ansässige Familien mit meist einfachen Berufen wie Schuster, Gemüseverkäufer, Putzkraft. Es gibt auch einen Don sowie Andeutungen von mafiösen Strukturen. Es bleibt allerdings lange Zeit dabei, da die Geschichte aus der Sicht von Elena beschrieben wird. Zum Ende des Buches hin sind die beiden Mädchen kurz vorm Erwachsenwerden und somit ist im Buch auch die Perspektive der beiden genau wie ihr Alter einem stetigen Wandel unterworfen. 

Die recht flüssige schnörkellose Sprache macht es dem Leser leicht dem Buch zu folgen. Das soll gar kein unterschwelliger Kritikpunkt sein: Da das Buch wie erwähnt aus der Sicht von Elena geschrieben ist, gibt es keine langwierigen thematischen Abschweifungen oder komplizierte Sätze: alles normal aus meiner Sicht. 

Interessant ist vor allem die Dynamik zwischen den Freundinnen. Elena, die gute, kluge, fleißige und introvertierte Schülerin und Lila, die böse, mühelos hochintelligente, impulsive Außenseiterin. Elena lehnt sich in Teilen des Buches stark an Lila an und bis zu einem gewissen Grade ist die "Perfektheit" von Lila recht unglaubwürdig. Dieses Gefühl nimmt mit zunehmender Erzählung allerdings ab. Man wird jedenfalls oft Zeuge der Unsicherheit von Elena, was ihr Sinn im Leben ist, was sie machen soll. In diesen Situationen braucht sie Lila und will es ihr oft Recht machen. Klar, dass dies einer der Zündstoffe der Story ist.

Die/Der Autor/in ist unbekannt, der Name ein Pseudonym.
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Aber auch Lila wird im Buch psychologisch genauestens beobachtet. Nur spielt sich ihre Unsicherheit vor allem in der Interaktion mit ihrem Umfeld ab. Hat sie als Kind in diesen Situationen noch den Bonus, dass sie nun mal ein Kind ist, so ist dies später nach vielen Verflechtungen ihres Schicksals mit dem von anderen (auch der Familie) nicht mehr der Fall. Ihre Aktionen zählen und haben Auswirkungen. Die Autorin bzw. Elena deutet auf mysteriöse Weise an, dass dies Lila innerlich schwerstens belastet.

Wir haben also einen Coming-of-Age-Roman, der leicht zu lesen ist, interessante Charaktere (nicht nur die beiden Hauptcharaktere) besitzt und es tatsächlich vermag, zu fesseln. Auch die Atmosphäre der Hinterhöfe von Neapel in den Fünfzigern wird schön beschrieben. Das Buch gefällt auf jeden Fall, Hype hin oder her.