Donnerstag, 21. Juni 2012

Javier Marías - Mein Herz so weiß

Ja, der Titel klingt nach "Schnulze". Doch oha, er stammt aus "MacBeth". Ein Buch mit künstlerischem Anspruch also. Rette sich, wer kann!!
Cooler Ohrring! (Quelle)

Aber nein, so ist es nun auch wieder nicht. "Mein Herz so weiß" ist ein sehr schönes Buch mit zwei, drei Schwächen, die aber nicht besonders ins Gewicht fallen. Und als Student lernt man ja auch strukturiertes Denken *örks*, also gehe ich mal ganz systematisch ran.

Hier die Argumente, warum das Buch gut ist:

  • Der Einstieg in das Buch ist genial, genial, genial. "Mit der Tür ins Haus fallen" wird hier ganz neu definiert. Direkt der erste Satz gleicht einem Schlag in die Magengrube, denn in ihm erfahren wir sofort den Dreh- und Angelpunkt der Geschichte: Eine junge Frau geht während eines Familienessens seelenruhig ins Bad, entkleidet sich und schießt sich mit einer Pistole in die Brust. Die darauf folgende Beschreibung der Reaktionen der Familie ist höchst voyeuristisch und genau deswegen so bewegend.

  • Erzähler des Buchs ist Juan, Neffe des o.g. Mädchens, welcher damals noch nicht geboren war. Er beschreibt sein Leben als Dolmetscher und vor allem seine Schwierigkeiten und Gedanken als frisch gebackener Ehemann seiner Frau Luisa. Diesen Überlegungen hört man als Leser gerne zu (paradox!), denn sie spiegeln oft das wieder, was einem selbst höchstens unterbewusst klar ist oder was sonst unausgesprochen bleibt.

  • Einige Szenen, welche aus seinem Dolmetscher-Leben zum Besten gegeben werden, sind äußerst originell und lustig zu lesen. So übersetzt er beim Treffen zweier Regierungschefs die Worte der beiden mit Absicht falsch um ein (für ihn) interessanteres Gespräch ins Laufen zu bringen.

  • Juan's Vater Ranz ist der eigentliche Star des Buchs. Er ist der Mann des Mädchens, welches sich umgebracht hatte. Das ganze Buch über hat man das ungute Gefühl, dass irgendwas diesen lebensfrohen Mann kompromittieren wird. Langsam wird diese Spannung immer unerträglicher, bis sie am Ende mit einem großen Knall aufgelöst wird. Und wenn sie das dann wird, kann man es nicht glauben, obwohl es über das ganze Buch über angedeutet wird (aber eben sehr subtil).

  • Trotz spanischer Herkunft des Autors (welch Stigma!) ist der Schreibstil relativ flüssig und nicht zu blumig. Auch sehr lange Sätze bringen einen nicht aus dem Lesefluss, weil sie gleichzeitig künstlerisch und nachvollziehbar sind. Insgesamt liegt hier ein warmherziger Schreibstil vor, der aber nie zu kitschig wird, wenn es um Gefühle geht.


Was ist nicht so gelungen?

Chafjeh Marrrriasfsfs (Quelle)
  • Die Beschreibung von Luisa gefällt mir nicht. Ich bin mir bewusst, dass sie einem Archetypen entsprechen soll. Aber muss dieser Archetyp wirklich der der perfekten Frau sein? Sie ist hübsch, intelligent, lebenslustig, ordentlich und moralisch einwandfrei. Das Problem bei dieser Typisierung ist meiner Ansicht nach, dass die Figur niemals zum Leben erwachen kann, da sie so verdammt makellos und damit unglaubwürdig ist.

  • Die erste Hälfte des Buchs ist besser als die zweite. In dieser zweiten Hälfte wird viel Zeit auf die Beschreibung von anderen Beziehungen verwandt, wahrscheinlich, um das Spektrum von Beziehungstypen abzudecken (da das Buch ja auch einen philosophischen Anspruch hat). Zur Geschichte trägt das aber nicht sehr viel bei.

  • Feel-Good-Ende-Of-The-Summer (in Form des Epilogs). Lame! Deswegen hol ich das eigentlich angedachte Ende hier nach :


Lady MacBeth: 

"Meine Hände Sind blutig wie die deinen; doch ich schäme Mich, daß mein Herz so weiß ist."



Dienstag, 12. Juni 2012

Antoine De Saint-Exupéry - Der Kleine Prinz

Blond und blauäugig! (Quelle)
Es verbietet sich meiner Meinung nach, viel über "Der Kleine Prinz" zu schreiben. Denn was macht den Zauber dieser Geschichte aus? Jedenfalls nicht die mannigfaltigen Deutungsmöglichkeiten, die von "Literaturwissenschaftlern" (Literaten?) vorgeschlagen wurden. Diese sind doch eher das Produkt eingehender Beschäftigung mit der Frage "Was kann der Autor gemeint haben (, was noch nicht von anderen so erkannt wurde)?". Glaubt denn wirklich jemand, dass sich diese Leute beim Lesen spontan gedacht haben "Wow, das ist eine Allegorie auf das besetzte Frankreich im 2. Weltkrieg"? Ich will gar nicht abstreiten, dass man manche Stellen entsprechend interpretieren könnte. Aber im Vordergrund sollte doch die Geschichte stehen. Kein Autor schreibt eine Geschichte nur als metaphorisches Vehikel seiner "Zivilisations- und Religionskritik" (wie ich es auf verschiedenen Websites lesen konnte).

"Der Kleine Prinz" ist ein Märchen, punktum. Es besticht vor allem durch seine zauberhafte Einfachheit. Der Prinz ist ein neugieriges, kindartiges Wesen, welches allerlei Fragen stellt und "mit dem Herzen sieht". Im Unterschied zu anderen Erzeugnissen ähnlicher Natur wird das aber nicht pro Seite zweimal betont, sondern man merkt und fühlt es einfach beim Lesen. Auf seiner Reise durch das Weltall (er kommt von einem Planeten, welcher so klein ist, dass er pro Tag 43 Sonnenuntergänge sehen kann, indem er einfach seinen Stuhl weiterrückt) trifft er viele andere Spezies, welche allegorisch für Charaktereigenschaften stehen (der König, der Eitle, der Säufer usw. usf.). Stets besorgt um seine eine Blume (welche er hingebungsvoll pflegt) und seine drei Vulkane (welche ihm bis zur Hüfte gehen) begegnet er auf der Erde einem abgestürzten Piloten in der Wüste (AdSE selbst?), welcher die Erzählerrolle einnimmt. 

Auf einem Flug verschollen: AdSE (Quelle)
In erster Linie ist die Geschichte rührend, in zweiter Linie Transporteur verschiedener Lehren. Diese sind natürlich grundlegender Natur (sich um andere kümmern, sie nicht von oben herab behandeln, über andere richten ...), werden aber nicht mit dem Vorschlaghammer eingetrichtert.

Nicht mehr, aber auch nicht weniger ist zu diesem Büchlein zu sagen. Es verdient Aufmerksamkeit aufgrund seiner Qualität, aber nicht die übertriebene, welche ihr von deutungswütigen DasLiterarischeQuartettGuckern zuteil wird. 

Freitag, 8. Juni 2012

Paulo Coelho - Der Alchimist

In der Tradition der Harald-Schmidt-Show ein kleines Bilderrätsel:



Nie war ein Buch für den Titel dieses Blogs so geeignet, ist es doch mit folgenden Afforismen hinreichend beschrieben:

Folge deinem Herzen!
Der Weg ist das Ziel.
Live for the moment!
Die Augen sind der Spiegel der Seele.
Love conquers everything.
Gott ist in allem.
Hör auf dein Innerstes!

New-Age-Klassiker. (Quelle)
Falls jemand an der Geschichte interessiert ist: Spanischer Schafshirt träumt von Schatz bei den Pyramiden, trifft superultraweisen Mann, der ihn bestärkt ("Folge deiner Bestimmung, Luke!"). Er geht nach Afrika, erlebt dort einige Rückschläge, findet die Liebe, trifft auf Karawane DEN Alchimisten (=Yoda), welcher ihn lehrt, auf die "Weltenseele" zu hören. Er kommt bei den Pyramiden an und ... naja, nicht gleich alles spoilern.

Auf der Buchrückseite wird "Der Alchimist" damit beworben, dass es ein modernes "Der kleine Prinz" sei. Hmm, ich fand schon "Der kleine Prinz" nicht so überwältigend, wie es viele tun. Doch wenigstens hatte diese Geschichte gegenüber "Der Alchimist" den Vorteil, nicht mal halb so lang zu sein. Außerdem war es ein Märchen, welches zauberhaft war und welches man auch kleinen Kindern vorlesen kann. Kurz: es nahm sich weißgott nicht so wichtig wie "Der Alchimist" mit seinem immer wiederkehrenden spirituellen Öko-Herz-Bestimmungs-InJedemSandkornBistAuchDu-Gefasel. Aaaaaarrrrrrrgggggghhhhhhh!