Montag, 2. Mai 2016

Javier Marías - So fängt das Schlimme an

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Javier Marías könnte in der Top 5 meiner Lieblingsautoren sein. Wenn er denn nur Maß halten könnte... Ach, er kann einen fesseln mit seinen psychologisch tiefschürfenden Romanen. Er benutzt fast immer treffende Shakespeare-Referenzen und auch im vorliegenden ausgelesenen Buch versteht er es vorzüglich, den Leser mit Andeutungen, mit Geheimnissen und unschuldigem Voyeurismus bei der Stange zu halten. Trotz 650 Seiten kann man das Buch nicht weglegen. Auch die altbekannten aus der Tiefe der Seele des Welterfahrenen kommenden Lebenslektionen werden wieder verbreitet und treffen einen. Alles ist vorbereitet für den Showdown. Nahezu perfekt vorbereitet. Wie so oft. 

Juan ist der Erzähler, ein junger Erwachsener, der als Assistent bei Muriel und Beatriz beschäftigt ist. Er bekommt schnell mit, dass der von ihm hochrespektierte und integere Muriel seine Frau regelmäßig despektierlich und beleidigend behandelt. Beatriz nimmt dies hin, meint, daß der Grund, warum er sie so behandelt, eine "Dummheit" ihrerseits war und hofft, dass ihr Mann ihr irgendwann verziehen hat. Muriel bezichtigt sie hingegen, ihn schwerstens hintergangen zu haben. 

Nach und nach gibt es immer mehr Andeutungen, was wohl in der Vergangenheit des Paares passiert sein mag. Warum die beiden sich so behandeln, wie sie sich behandeln. Warum Beatriz mehrere Selbstmordversuche begangen hat. Warum Muriel sich trotz seiner ablehnenden Haltung nicht von ihr trennt. 

Kurz gesagt, es dröseln sich all diese Irrationalitäten und scheinbaren Kleinigkeiten auf, welche eine Liebesbeziehung ausmachen, zerstören und beeinflußen. 

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Zum Ende hin setzt Marías zur Lüftung der Geheimnisse an und vermag es auch, diese einfühlsam und glaubhaft zu präsentieren. Und dann ... schießt er wie SO OFT über das Ziel hinaus. Weniger wäre wie auch bei den beiden vorherigen Romanen, welche ich gelesen habe, mehr gewesen. Im Bestreben, die Geschichte "rund" zu machen, passen die Wendungen auf den letzten 15 Seiten einfach zu perfekt zu allem vorher erzählten. Wäre das Buch ohne diese konstruierten Handlungsstränge ausgekommen, hätte ich es als substantielles und gleichzeitig maßhaltendes Meisterwerk angesehen. So bleibt nur - und das mag für einen so erfahrenen Autor wie Marias eine Beleidigung sein - ihn als großes Talent zu bezeichnen. Das nächste Buch werde ich jedoch - WIE SO OFT - wieder lesen.   

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