Freitag, 28. Dezember 2012

Timur Vermes - Er ist wieder da

Adolf Hitler, Führer a.d., erwacht 2011 in Berlin und startet eine erfolgreiche Fernsehkarriere, in welcher er (in diesem Zeitalter der ungestraften Ironie) seine Hetze und Weltmachtsphantasien hemmungslos ausleben darf. Denn kein Mensch glaubt natürlich, dass dies der echte Adi ist.

Kostet in Dtl. 19,33 €! Echt! (Quelle)
Fast-Food-Buch (oder Fast-Read?) beschreibt meine Haltung zu diesem derzeitigen Bestseller höchst treffend. Die durchschnittliche Verschlingdauer wird im unteren Tagebereich liegen, oberflächliche Geschmacksnerven werden zielsicher aktiviert und die Sättigung durch das Konsumierte währt nur begrenzt.

Wir haben also positive Dinge (man liest gern, versteht schnell und ist amüsiert) und negative Dinge (nach Beendigung des Buches hat man nicht das Gefühl, etwas substanzhaltiges gelesen zu haben). Verblasst denn dieser Einwand nicht im Angesicht der genannten, für das Buch sprechenden Tatsachen? Für mich persönlich auf gar keinen Fall. Denn ein Gefühl des Betrogen-Worden-Seins stellt sich ein, wenn man merkt, dass dieses Werk eigentlich wenig Substanz besitzt, aber ohne Umschweife Gegenteiliges behauptet (z.B. auf der Rückseite).

Tucholsky sagte: "Satire darf alles". Ich sage, dass aber deswegen nicht alles, was Leute oder Begebenheiten der Lächerlichkeit preisgibt, Satire - genauer - gute Satire ist. In "Er ist wieder da" werden alle Klischees, welche auf das "moderne" Deutschland zutreffen, bedient (nicht, dass von diesen nicht einige der Wahrheit entsprechen). Unfähige Politiker, verweichlichtes und kulturloses Volk, hässliche Architektur, Wendehälse allerorten, unerzogene faule Kinder. Auch jegliches Führerklischee wird aufgefahren. Denn Hitler war ja genauso, wie die Switch-Parodie ihn darstellt. Kalt und hart in seinen Überzeugungen, bemüht (=arm) in der Sprache und zu aufgeblasen, zu merken, dass ihn keiner für den echten Führer hält, sondern für einen Schauspieler. Wie allerdings bei Switch schmunzelt bzw. lacht man dann doch einige Male. Auch und gerade bei rassistischen und geschmacklosen Passagen, bei denen gewissen Ich-habe-einen-politisch-korrekten-Stock-im-Arsch-Rezensenten (siehe Amazon) das Lachen im Halse stecken bleibt.

Im Führerbunker fotografiert? (Quelle)
Das, was weitere Substanz vorgaukeln soll - nämlich der Fakt, dass Hitler auch 2011 Karriere macht - ist hingegen konstruiert und baut auf die Kurzsichtigkeit des Lesers. Ja, ein guter Hitler kann in der hiesigen Comedy-Landschaft Erfolg haben. Ja, die Produktionsfirma, welche durch ihn Erfolg hat, wird sich auch dazu hinreissen lassen, "Sieg Heil" zu rufen. Und ja, Jugendliche werden den Youtube-Hitler "krass" finden und Arrivierte werden ihn als Emporkömmling bar jeder Erfahrung und Gefahr abtun. Christoph Maria Herbst (wie passend!) findet auf der Rückseite, dass "bei allem Lachen ein Rest Gänsehaut bleibt". Es bleibt also ein undefiniertes Gefühl, dass das alles lustig, aber irgendwie doch nicht lustig ist. Und diese Empfindung ist alles, was hier Substanz erzeugen soll. Das reicht mir persönlich einfach nicht.

Zu allem Überfluss windet sich der Autor reichlich eierlos um die Judenfrage. Sie wird angeschnitten, aber kaum weiter erörtert. Anscheinend war diese dann doch zu heiß. Dabei ist gerade jenes doch ein, wenn nicht das wichtigste Alleinstellungsmerkmal Hitler's. An diesem Punkt müsste sich doch die heutige Gesellschaft messen lassen, wenn man Vergleiche mit dem Deutschland der damaligen Zeit anstellt.

Zusammengefasst: "Er ist wieder da" ist ganz nett und manchmal treffend in seiner Beschreibung der Politlandschaft des heutigen Deutschlands, wenn auch sehr oberflächlich. Punkte dafür. Abzüge gibt es für den absolut nicht erfüllten Anspruch, ein ernsthaftes Thema wie Hitler satirisch und historisch vergleichend zu behandeln.    

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