Montag, 7. Januar 2013

Javier Marías - Morgen in der Schlacht denk an mich

Nicht unbedingt ein Kriegsroman. (Quelle)
Javier Marías ist ein äußerst gefährlicher Mann. Denn er vermag es, seinem Leser auf so unheimlich treffsichere Art aus der Seele zu schreiben, dass man dies nichts anderes als "Hexerei" nennen kann. Kraft der Logik soll angenommen werden, dass diese Beobachtung für viele Menschen (a.k.a. "seine Leser") zutrifft. Nun angenommen, dass verschiedene Menschen verschiedene Seelen haben, dann sollte dies doch eigentlich unmöglich sein.

So richtig erklären kann ich es auch nicht, aber so viele "Ja, genau! So ist es!"-Stellen hab ich in einem Buch noch nie erlebt. Davor nur bei "Mein Herz so weiß" von ... ach ja, Javier Marías. Nun gut, das Buch beschäftigt sich nicht mit den Laichzyklen von Süßwasserfischen, sondern es geht eben wie immer bei Romanciers des Schlages Marías um die großen Themen wie Liebe, Tod und Verrat. Insofern wird da jeder einen Ansatzpunkt haben. Doch es bedarf eines Meisters wie dem Autor um diese Gebiete sowohl inhaltlich als auch storytechnisch relevant zu bearbeiten. Das heißt, kontemplative Gedanken dazu sind gut und schön, aber dahinter darf die Geschichte nicht zurückbleiben.

Mit einem unverwechselbaren Stil verwebt Marías eine dunkle Story mit den Gedanken der Hauptfigur. Diese teilt dem Leser durchweg seine Lebenseinsichten mit, welche so einleuchtend sind, dass es teilweise erschütternd ist. Worum geht es? An dieser Stelle sei nur der erste Satz zitiert:

"Niemand denkt je daran, dass er irgendwann eine Tote in den Armen halten könnte..."

Schon ein wenig älter als bei "Mein Herz so weiß". (Quelle)
Wie auch bei "Mein Herz so weiß" wird also direkt mit der Tür ins Haus gefallen. Die Parallelen enden nicht dort. Es besteht wieder ein Wechsel zwischen Alltags- und Rückblicksszenen der Hauptfigur und Szenen, welche die Story vorantreiben. Doch was beim Vorgänger noch ein wenig holprig war, ist dieses Mal sehr viel besser gelöst. Jede der Szenen ist auf ihre eigene Art und Weise spannend. Das Buch strotzt von langen Sätzen, welche oft als Strom von Gedanken entstehen. In den meisten Fällen sind diese jedoch gut zu lesen. Die abermalige (intelligente) Verquickung mit Shakespeare (Titel und lange Zitate) verleiht dem Roman weitere Tiefe.

Nicht ganz so zufrieden bin ich wieder einmal mit dem Ende, was ein wenig konstruiert wirkt (zumindest von der Story her). Doch ich bin geneigt, dem den gleichen Grad von Wichtigkeit zuzusprechen wie der Story selbst: nicht zu wichtig. Denn Spaß macht das Buch nicht vorrangig wegen der Geschichte (das auch!) sondern aufgrund der dichtgepackten, dunklen Atmosphäre und dem sehr hohen Identifikationspotential auf emotionaler Ebene. Das nächste JM-Buch kommt bestimmt!

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