Dienstag, 29. Januar 2013

Clemens Meyer - Die Nacht, Die Lichter

Skeptisch war ich. Im Voraus. Clemens Meyer, ein junger Schriftsteller mit gewissem Hype-Faktor. Von "Als wir träumten" schwärmten viele und "Die Nacht, Die Lichter" wurde unisono durchempfohlen. Zumindest von Studenten und Hipstern ;-) Grund genug also, vorsichtig zu sein.

Nacht und Lichter: Ständige
Wegbegleiter der Stories. (Quelle)
Nun, das Verdikt lautet: "Die Nacht, Die Lichter" ist tatsächlich ein sehr gutes Buch. Wobei sein Untertitel "Stories" schon zeigt, dass wir es nicht mit einem Roman, sondern mit einer Sammlung von Geschichten zu tun haben. Der Schreibstil, die Erzählweise und die Stories selber sind erstaunlich ausgewogen und moderat. Meyer verzichtet dankenswerterweise darauf, (künstlerische) "Grenzen auszuloten". Es werden sich bis auf kleine Ausnahmen keine "superkrassen"  "abgespaceten" Stories finden. Einfühlsam, aber nicht kitschig präsentieren die meisten Geschichten Menschen aus den sozial niederen Schichten.

Aber man hat es weiß Gott nicht mit einer Kollektion von Losergeschichten zu tun. Dies würde auch sehr schnell langweilig. Nein, das Milieu, die erzeugte Atmosphäre und die "Moral" unterscheidet sich von Geschichte zu Geschichte genug, um nie Langeweile aufkommen zu lassen. Die Trinker, die Ausländer, die Alten, die Knastis, die Künstler, die Schichtarbeiter ... alle haben sie ihre eigene Story. Nicht immer nehmen die Geschichten ein gutes Ende, aber manchmal schon. Oder was man dafür hält.

Teilweise deutet Meyer sein weiterführendes erzählerisches Talent an. Beispielsweise direkt in der ersten Geschichte, in welcher wilde Story- und Zeitsprünge vollzogen werden, welche anfangs sehr verwirren. Anders aber als beim Einsatz dieses Stilmittels zum Selbstzweck hat man hier eher das Gefühl, dass nochmaliges Lesen Klarheit bringt und tiefere Einsichten in die Geschichte ermöglicht.

Er sieht gefährlich normal aus, der Clemens.
(Quelle)
Auch die öfters mal vorkommenden Referenzen auf Leipzig (und auch Halle, Bitterfeld und Köthen *g*) werden gerne gelesen und verarbeitet. Dadurch nämlich wird die Identifikation leichter und die Bindung an die Geschichte enger. "Ach und hier meint er wohl die Eisenbahnstraße ... und hier ist er vielleicht im Westin oder auf dem Weisheitszahn" ... Nettes Gefühl.

Zusammengefasst ist "Die Nacht, Die Lichter" ein sehr gutes Werk, welches durch Harmonie zwischen Erzählweise, den Stories und der Lesbarkeit besticht. Schwächen finden sich eher mit der Lupe. Wer drogeninduzierte Avantgarde-Stories erwartet, welche eine Moral auf der dritten Meta-Ebene propagieren, wird wohl enttäuscht werden. "Die Nacht, die Lichter" ist der Blues unter den Büchern: Von einfachen Emotionen getrieben, nicht sehr kompliziert, aber krass wirksam.

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