Sonntag, 3. Dezember 2017

Sofi Oksanen - Als die Tauben verschwanden

Sofi Oksanen (Link)
Heute, am Tag des ersten Schnees dieses Winters, verschlägt es einen in estnische Gefilde der Vergangenheit. Sehr passend also. Estland um 1941 - 1943 herum: Die Sowjetunion hält das Land besetzt und jagt aufständische Rebellen in den verschneiten Wäldern. Die Rebellen wiederum, aber auch viele der passiven Esten, richten ihre Hoffnungen wiederum ganz auf Nazideutschland. Bald würde die Wehrmacht einmarschieren und den Esten gegen die russischen Besatzer beistehen. Dass dafür Juden drauf gehen werden, nun gut, das muss dann wohl so sein. Es gab auch damals schon sowieso nicht viele davon in Estland. 

In diesen paar Sätzen liegt schon der spannende (und weithin nicht bekannte) Hintergrund, vor dem sich die Geschichte abspielt. Eine Dreiecksgeschichte, welche alle Facetten der möglichen Handlungsoptionen damals abbildet, ohne zu holzschnittartig zu wirken. Roland, der Rebell, Edgar sein opportunistischer Vetter und Juudit, Edgars hin- und hergerissene Frau. 

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Man erfährt viele interessante Einzelheiten der damaligen Zeit und bekommt ein sehr unterschiedliches Erzähltempo angeboten: mal sehr detailliert, nur um dann sprunghaft wichtige Informationen in kurzen Sätzen zu erfahren. Aber das ist interessant so, es hält die Spannung aufrecht. Zudem springt die Zeitebene zwischen der damaligen Zeit und etwa 20 Jahre später stattfindenden Ereignissen hin und her. Auch das ist ein dramaturgisch gelungener Kniff, denn auch die Veränderungen der Hauptpersonen sind so, dass man dran bleibt. Man will wissen, was passiert ist.


Prinzipiell ist das Buch recht stringent mit einfachen Sätzen geschrieben. Aber das ist nicht der Grund, warum bei mir eine gewisse Leere übrig bleibt. Es liegt vermutlich daran, dass das Hauptaugenmerk auf den Personen liegt, welche einem nicht unbedingt so sympathisch sind. Die Figur des Rolands hat das Potential zum Helden, ihr wird jedoch deutlich weniger Aufmerksamkeit geschenkt als der des Edgars oder Juudit. Und von einem Happyend kann man bei "Als die Tauben verschwanden" ganz gewiss nicht sprechen. Insofern ein recht trostloses Buch, aber so ist die Realität ja auch hin und wieder. Trotz allem also ein positiv zu sehendes Buch

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