Freitag, 23. November 2012

Jean-Paul Sartre - Die Kindheit eines Chefs


"Ich finde an ihm seine Sichtweise gut, dass Menschen selbst für sich verantwortlich sind und ihrem Leben eigenständig Sinn geben müssen." 


Der Mensch ist zum Lesen verurteilt.
(Quelle)
Seit mich jemand mit diesem Hinweis auf Jean-Paul Sartre brachte, wollte ich etwas von ihm lesen. Sartre bleibt allerdings ein Philosoph und sein 1000-seitiges Hauptwerk "Das Sein und das Nichts" wollte ich mir nun doch nicht antun. Also wurde nach kurzer Recherche "Die Kindheit eines Chefs" auf die rebuy-Liste gesetzt. Jetzt, deutlich später, war dieses Buch nun endlich verfügbar und damit meins.

Das gelesene Büchlein enthält fünf kurze Geschichten auf knapp unter 200 Seiten. Alle haben etwas mit seinem Credo "Der Mensch ist zur Freiheit verurteilt" zu tun, was im Prinzip heißt, dass der Mensch sich von unbelebten Dingen wie einem Stein dadurch unterscheidet, dass er "handelt". Der Stein handelt nicht, er liegt stumm da. Der Mensch aber ist in seine Existenz geworfen - ungewollt - und hat immer eine Wahl. Er kann sich entscheiden, und zwar in jeder Situation. Und um seinem Leben wirklich einen Sinn zu geben, MUSS er das sogar. Er darf sich also nicht von den Dingen treiben lassen und sich Entscheidungen verweigern. Dann wäre er nichts anderes als ein "Ding", über das entschieden wird. Mir gefällt diese Sichtweise ungemein, weil sie zwar sehr trivial klingt, aber doch unglaublich optimistisch ist. Sie bedeutet, dass jeder den Sinn des Lebens finden kann und zwar auf seine eigene Weise. Und wenn es auf eine Weise nicht funktioniert, so ist ein anderer Ansatz auch in Ordnung. Dies hat den Anschein von Beliebigkeit, als ob dieser Maxime nach alles das Richtige ist. Doch gerade der Vorwurf des Sich-Treiben-Lassens trifft wohl auf alle Menschen zu, mal mehr und mal weniger.

Nie ohne Pfeife unterwegs: Die Pfeife von JPS (Quelle).
Die Geschichten erzählen von alltäglichen und einzigartigen Geschehnissen, z.B. vom Standhaftbleiben eines zur Erschießung verurteilten Widerstandskämpfers oder von einem Mann, welcher Menschen hasst und sich durch einen Mord zur Berühmtheit machen will, am Ende aber nicht konsequent genug ist, sich selbst zu erschießen. Die titelgebende Geschichte befasst sich mit der Sinnsuche eines jungen Menschens. Sein Weg zum Chef-Dasein ist familiär vorgezeichnet, aber er hat Schwierigkeiten, seinen Platz im Leben zu finden. Diese beruhen auf seinem Selbstbild, was im Endeffekt durch die Sicht der anderen auf ihn gebildet wird. Er sammelt vielfältige Erfahrungen und findet am Ende sein (scheinbares) Glück im fanatischen Antisemitismus.

Ein schönes Buch zur Verdeutlichung der Sartre'schen Philosophie. Auch als Schriftsteller - vor allem die letzten zwei Erzählungen sind klasse und atmosphärisch dicht verfasst - war dieser exzellent.

Donnerstag, 15. November 2012

Daniel Kehlmann - Der fernste Ort

Vorschnelle Urteile sind vorschnell ... Nee wirklich?

Jahaa! Fiel mir wieder auf, als ich "Der fernste Ort" ausgelesen hatte. Ein Gefühl von "Hm, das war's?" machte sich breit und ich ordnete diese Novelle gedanklich unter "meh" ein. Aber irgendwie war ich mit dem Ende nicht so ganz zufrieden und daher der Versuch, das Buch von hinten aufzuarbeiten. Und nach und nach wurde mir klar, welch' vielfältiges Deutungspotential das Buch besitzt. Ganz verwegene wären sicher versucht, die gesamte Handlung mit allen Akteuren und Aktionen symbolistisch zu deuten, d.h. in allen Details des Buches etwas anderes zu vermuten als das, was diese eigentlich zu sein scheinen. Nun ja, nicht übertreiben!

Guter Body für 'nen Versicherungsspacko.
(Quelle)
Ein ruhiger, recht mittelmäßiger Versicherungsangestellter (Julian) täuscht seinen Ertrinkungs-Tod vor, um ein neues Leben zu beginnen. So ganz durchdacht hat er das nicht und wo er hin will, weiß er auch nicht. Kehlmann führt uns durch Kindheit und Jugend des Hauptcharakters und zeigt, dass Julian schon immer nicht wusste, wie er in dieses Leben gehört. Das ziemlich biedere Leben bestehend aus gerade so geschafftem Abitur, verrissener Abschlussarbeit über einen unbekannten Philosophen und ungewollter Schwangerschaft mit anschließendem Kindstod der ihm öfters mal fremd vorkommenden Freundin führt ihn in seine Stelle als Versicherungsmathematiker. Auch dort findet er sich mehr schlecht als recht zurecht (ha!). Sein Entschluß, zu verschwinden ist sehr verständlich.

So weit, so normal. Was macht das Buch lesenswert? Klare Antwort: die surrealistische Atmosphäre. Ein kompletter Gegensatz zur langweiligen Alltagswelt. Über die Geschichte legt sich ein bleischwerer, trüber Nebel, welcher zu Bedrücktheit, zu Hoffnungslosigkeit und unterdrückter Verzweiflung führt. Das surrealistische daran sind die vielfach verwendeten falschen Spiegelbilder, die knarzenden Dielen, die spärlich beleuchteten Räume, die sich nach und nach aufbauenden Gesichter und die völlige Selbst-Entfremdung, welcher Julian oft ausgesetzt ist. Weiterhin wird das Motiv der Wiederholung eingesetzt. Personen tauchen aus dem Nichts in anderen Rollen und an unwahrscheinlichen Orten auf, sogar Handlungsstränge werden kaum verändert neu aufgesetzt. Das alles wird einem erst nach dem Lesen so wirklich klar. Ein gutes Zeichen eigentlich.

Ein wenig bieder sieht er ja schon aus.
Autobiographisch? (Quelle)
Doch diese verwendeten Stilmittel bergen eben auch Gefahren. So bleiben ziemlich viele lose Enden. Man hat ein wenig das Gefühl, als seien einige dieser Stilistiken zum Selbstzweck eingesetzt. Oder ist man zu faul, um diese vernünftig zu deuten? Apropos Faulheit: "Julian fühlte sich komisch. Irgendwas stimmte nicht." Ja, "irgendwas" ist oft der Grund für irgendwas. Das zieht sich durch das ganze Buch. Irgendwas ist immer faul. Auch das Syndrom der ausschweifenden Beschreibung von noch so banalen Details trübt ein wenig den guten Eindruck. Warum soll es mir etwas bringen, zu wissen, dass der Schrank im Raum aus Eichenholz ist und vor 50 Jahren geerbt wurde? Es sorgt nicht für Atmosphäre und ist einfach überflüssig.

Wie kommt man zu einer abschließenden Beurteilung des Buches? Abschließend wohl schon mal gar nicht, aber vorläufig reicht es, sich zu fragen, "Befriedigt mich das, was ich gelesen hab?" Was sagt also das dumpfe Bauchgefühl? Es sagt "Hm, irgendwie :-P schon, aber ein bißchen auch nicht". "Der fernste Ort" ist sicher nicht perfekt, aber hat meiner Ansicht nach eine Menge Potential und die Atmosphäre, gerade auch am Ende, macht unheimlich viel gut. Ach, würde der Kehlmann mal ein etwas längeres Buch schreiben... Stattdessen wurde er sogar noch kürzer.

Samstag, 10. November 2012

Alben-Reviews - Mini-Edition - Folge 4


So, genug Stoff für einen neuen Musikpost hat sich nun angesammelt. Es war ja auch ein vielversprechender Herbst, der mit echten Perlen aufwartete. Zumindest vom Namen und der Erwartungshaltung her. Leider muss konstatiert werden

- dass qualitätsmäßig sichere Bänke sich nun doch recht morsch anhören (Neurosis)
- dass großspurigen Schreihälsen die Shouts im Halse stecken bleiben und (Stone Sour)
- dass selbst vollständig rekonvaleszente Drogenopfer Musik machten, die nach totalem Rückfall klingen (John Frusciante)

Insgesamt überwiegt also leider die Enttäuschung. Logischerweise gibt es aber auch gutes zu vermelden. Damit soll selbstverständlich angefangen werden.

Neil Young - Psychedelic Pill (Quelle)
Neil Young liefert mit "Psychedelic Pill" Album Numero 8463 ab. Alles klingt wie immer und das ist auch genau richtig so. Wer sonst würde ein Album mit einem 27-minütigen Song einläuten? Und dann später noch zwei 15-20-Minüter hinterherschieben? Voll mit seinem melodiösen brüchigen Gesang und ohrenbetäubenden Feedback-Gitarren. Neil Young ... da weiß man, was man hat. (Meistens)

Deftones - Koi No Yokan (Quelle)
Auch das neue Album der Deftones "Koi No Yokan" liefert mehr vom selben. Doch kaum eine Band beherrscht das Yin und Yang der Spannungs- und Gefühlsbögen so gut wie die Deftones. Brachiale Rocknummern münden in hypnotische Midtemposongs, welche Platz machen für äußerst melancholische Balladen (natürlich versetzt mit den obligatorischen Gefühlsausbrüchen). Ganz einfach große Kunst, was uns die Kalifornier da vorsetzen.

Soundgarden - King Animal (Quelle)
"Das Beste erhoffen, das Schlimmste befürchten" war der Leitspruch bzgl. des neuen Soundgarden-Albums "King Animal". Nun, wie es sich für eine der ersten Indie-Bands (ja, das war früher Indie!) gehört, halten die sich nicht dran und machen ihr eigenes Ding. Will heißen, das Album ist nicht so ganz Fisch und nicht so ganz Fleisch. Eher so ein Mischmasch aus Pute (es gibt ein paar ganz originelle Songs, ein paar gute Rocker und die Produktion ist ausgezeichnet) und Tofu (es ist halt alles nicht so das "Wahre" bzw. man hat sich wohl insgeheim was noch besseres erwartet). Schmeckt schon ganz passabel, aber so ein Rindernackensteak ist dann doch eine ganz andere Liga. Trotzdem toll, mal wieder Chris Cornell's Stimme zu hören.

Placebo - B3 (Quelle)
Nicht unerwähnt soll auch noch "B3" von Placebo bleiben. Joar, kann man zum Großteil hören. Vermisse nur die tiefen Ultra-Hirsch-Röhr-Shouts von früher (vom ersten Sänger) und natürlich fehlen aber voll auch noch die geilen Triangel-Melodien. Ansonsten geht das schon klar.

So, nun zu den Enttäuschungen. Das ganze ein wenig ausführlicher.

Neurosis - Honor Found In Decay (Quelle)
Neurosis sind immer noch Großmeister des Atmosphäre- und Spannungsaufbaus und die drei megafetten Brüllstimmen der Sänger haben trotz vielfacher Beanspruchung nicht gelitten (und das, obwohl einer der drei Grundschullehrer ist... hm, vllt kann er auch deshalb so gut schreien). Aber auf "Honor Found In Decay"  fehlen meines Erachtens nach die neuen kreativen Ideen, die Parts, von denen man nie dachte, dass sie kommen und die Melodien, die einfach, aber wirkungsvoll sind. Ja, es gibt zwei, drei richtig gute Songs auf dem Album. Aber auch bei denen kann man meist vorhersagen, wann die lauten Gitarren einsetzen und wann der ruhige Break einsetzt. Hätte nie gedacht, dass ich so etwas mal über ein Neurosis-Album schreiben würde, damn.

Stone Sour - Hoise Of Gold & Bones Part I (Quelle)
Von Stone Sour bin ich echt ein wenig enttäuscht. Was haben die sich das Maul zerrissen, dass "House Of Gold And Bones" (Part I) (!) ein Mix aus "The Wall" von Pink Floyd und "Dirt" von Alice In Chains wird. Ein Konzeptalbum megalomanischen Ausmaßes. Die ersten veröffentlichten Tracks stimmten positiv. Gute Produktion und sehr sehr ordentliche Rocker, gesungen von einem stimmlich deutlich gereiften Corey Taylor. Dummerweise waren diese drei, vier Tracks die wirklich guten Songs. Gerade die "gefühlvollen" Lieder, welche auf einem Konzeptalbum zwangsläufig auftauchen müssen, sind dermaßen verkitscht und triefen vor Pathos, dass es echt nicht mehr lustig ist. Würg. Und das ist eben der Unterschied zu "The Wall". Dieses Album hatte gute Rocker UND gute Balladen.

John Frusciante - PBX Funicular Intaglio Zone (Quelle)
Zu John Frusciante ist kaum was zu sagen. Musikalisch ausgeflippt war er schon immer und das vorherige Album ist trotz Freak-Faktor eins der besseren der letzten Jahre. Aber was auf "PBX Funicular Intaglio Zone" zu hören ist, sprengt jeglichen Rahmen. Das klingt nach LSD-Trip mit XTC-Einwurf alle zwanzig Sekunden. Und währenddessen schlägt dir jemand mit nem Vorschlaghammer auf den Hinterkopf, bohrt dir ein Loch in den Rücken und rasiert dir mit einer Kettensäge die Beine ab. Jetzt hab ich doch was gesagt *augenroll*

Montag, 15. Oktober 2012

Salman Rushdie - Grimus

Keine satanischen Verse! Ich schwör!
(Quelle)

Who wants to live forever? Fragte ja schon Seine Majestät Freddy Mercury vor 30 Jahren. Dieses verlockende Angebot macht jedenfalls Grimus, ein anscheinend allmächtiger Mensch, bestimmten von ihm ausgewählten Menschen. Stimmen Sie zu, werden sie danach Teil einer Gemeinschaft von Unsterblichen auf einer von ihm geschaffenen Insel. Doch Grimus ist nicht der allmächtige und gutmütige Herrscher, der er scheint. Gleichzeitig begleiten wir die Hauptperson des Buches, den unsterblichen Indianer Flapping Eagle. Er kommt auf der Insel an, um seine verschwundene Schwester zu suchen und um Sinn in seinem vormals ziel- und aufregungslosen Leben zu finden. Er lernt den Effekt, den Grimus auf die Bürger der Insel hat, kennen und ist hin- und hergerissen zwischen dem scheinbar komfortablen Leben in der Gemeinschaft und seinen Zweifeln an Grimus.

Ein Buch voller Widersprüche. Schon allein der Fakt, dass es mir schwer fiel, den Inhalt des Buches irgendwie sinngerecht in wenige Sätze zu verpacken, zeigt, dass es ungemein viele Ideen beherbergt. Das heißt aber gleichzeitig nicht, dass "Grimus" ein schwer zu lesendes oder intellektuell aufgeblähtes Buch ist. Ganz im Gegenteil, die wenigen Stellen, in welchen philosophiert und wild assoziiert wird, kratzen eher an der Oberfläche. Dies ist im Prinzip für das gesamte Buch zu konstatieren. Zaghafte Ansätze von Scherzen, mal hier und da ein Satz, welcher schockierend sein soll... "Grimus" ist ein light-weight-Fantasy-Buch. Leicht und locker zu lesen, mit einer sympathischen Hauptfigur, interessanten Verwebungen von östlichen und westlichen Mythologien und recht holzschnittartigen Charakteren.

Aber etwas satanisches hat er schon an sich! Augenbrauen!
(Quelle)
Empfehlen kann ich es trotzdem oder gerade deswegen. Zum Nachdenken regt es nicht gerade an, dafür sind zu viele ziellose Gedankenstränge geknüpft worden, aber zum Staunen brachte es mich dennoch. Dies aufgrund der erfrischenden Mixtur von alten und neuen Ideen, westlichen und östlichen Einflüssen und Oberflächlichkeit und (scheinbarer) Tiefe. Es ist übrigens das Erstlingswerk von Salman Rushdie und dafür ist es ganz nett. Das trifft es wohl am besten. Ganz nett.

Mittwoch, 12. September 2012

Michael Ende - Die Unendliche Geschichte

(Quelle)
Herrliches Buch.

Strotzt von fantastischen Ideen.

So angenehm zu lesen.

Es nimmt sich nie zu ernst, auch wenn es ernsthafte Themen behandelt.

Besitzt eine Menge liebenswürdiger Charaktere mit ausgefallenen aber genauso liebenswürdigen Namen fernab jeglicher Fantasy-Klischee-Namen.

Die Geschichte, welche erzählt wird, ist ab einem gewissen Punkt recht klassisch aufgebaut (Aufstieg, Fall und "Wiedergeburt").

Was aber zählt, ist, wie diese erzählt wird. Und das ist: geradlinig, nachvollziehbar, zur Identifikation anregend und vor allem ausgestattet mit den oben genannten fantastischen Ideen und Details.

Ende (Quelle).
Die Idee des Buchs der Unendlichen Geschichte, welches seine eigene Geschichte erzählt, ist einfach grandios. Und die Hinführung zu dieser Erkenntnis ist für mich der beste Teil des Buches. Das Ende hat auch nochmal einen einfach schönen Aha-Effekt, welcher dieses Buch perfekt abrundet.

Zusammengefasst: Geschichte zum Mitfiebern, emotional und intellektuell gleichermaßen anregend, aber nicht pathetisch oder aufgeblasen. Gleichzeitig von Kindern als auch von Erwachsenen zu lesen.

Kann dazu gar nicht mehr schreiben. Wird dem Buch sowieso nicht gerecht.




Samstag, 8. September 2012

Alben-Reviews - Mini-Edition - Folge 3


Und nun schon Folge 3 der Alben-Reviews. Heute eher auf der Retro-Schiene.


Led Zeppelin - I (Quelle)
Zuerst ein absoluter Klassiker. Led Zeppelin's Debütalbum "I" ist bald 45 Jahre alt (!), klingt aber frisch wie eh und je. Dies liegt vor allem auch an der superben Produktion. Gitarren, Bass und Drums sind kraftvoll und klar voneinander zu unterscheiden. Vor allem: Die Drums hauen rein! Nicht selbstverständlich damals. Meine Favoriten sind "Dazed & Confused" (heavy & donnernde Drums), "I Can't Quit You Babe" (astreiner Blues), "You Shook Me" (1A-Gesangsperformance) und "Communication Breakdown" (rockt wie Sau). Nichts, nie und nimmer, kommt aber an die emotionale Überzeugungskraft von "Babe I'm Gonna Leave You" heran. Dies ist der beste LZ-Song aller Zeiten. Vergeßt "Stairway To Heaven".

Neil Young - Chrome Dreams II
(Quelle)
Bleiben wir in den 70ern und halten gleichzeitig mal epochenunabhängig fest: Niemand mag "perfekte" Menschen. Das gilt auch und gerade für Neil Young, welchem die "unperfekte" Musik geradezu aus den Fingern fließt. Zusammen mit seiner hohen brüchigen Stimme und seiner Art, Gitarre zu spielen (unsauber, mit viel Feedback und ohne viel Technik, dafür mit umso mehr Brachialität im einen, Subtilität im anderen Augenblick) ist er einer der wenigen, die gut klingen, obwohl sie eigentlich scheiße klingen müssten. Eins seiner letzten Alben - "Chrome Dreams II" - fasst sein Repertoire sehr gut zusammen ("Beautiful Bluebird", "Ordinary People", "Shining Light"). Und warum klingt seine Stimme mit fast 70 noch wie damals, als er 25 war?

Pink Floyd - Wish You Were Here
(Quelle)
Zwei der schönsten Songs aller Zeiten besitzt "Wish You Were Here" von Pink Floyd. Zum einen "Shine On You Crazy Diamond", zum anderen "Wish You Were Here". Wer in den ersten 4 Minuten von SOYCD nicht in der Genialität des Gitarrensolos versinkt, muss wohl aus Stein sein. Und wer einmal den Text von "Wish You Were Here" gelesen, den astralen Gesang gehört und den gezupften akustischen Gitarrenklängen dieses Songs gelauscht hat, wird ihn nicht mehr vergessen. Dazwischen gibt es zwei Songs, welche auf ihre Weise auch überzeugen, aber aufgrund der eher gesellschaftskritischen Thematik nicht annähernd so tief ins Mark gehen wie die beiden oben genannten. Und das war's dann auch. Platten gingen ja nur knapp 40 Minuten. Mehr ist nicht. Muss aber auch nicht.

Radiohead - OK Computer (Quelle)
Knapp 20 Jahre später wurden Radiohead manchmal als "Pink Floyd der Gegenwart" bezeichnet. Typisch bescheuerter Musikkritiker-Vergleich. "OK Computer" von 1997 ist allerdings doch den wiederholten Hörvorgang wert, vor allem aufgrund seiner ersten Hälfte. Lässt man sich einmal auf die von vielen als deutlich zu weinerlich eingestufte Stimme von Thom Yorke ein, eröffnen sich so einige Songperlen. Diese sind das hochgrandiose "Subterranean Homesick Alien" und das ebenso meisterhafte "Karma Police". Auch "Paranoid Android" und "Exit Music" wissen zu gefallen. Genau wie "Lucky" und vor allem noch "The Tourist". Allerdings: Rocken können Radiohead irgendwie nicht.

Foo Fighters - The Colour And
The Shape (Quelle)
Im gleichen Jahr gab's "The Colour And The Shape" von den Foo Fighters. Mit deutlich zu vielen Songs. Aber wer "Everlong" auf dem Album hat, brauch sich darum nicht zu scheren. Die Mischung aus punkigem ("Enough Space"), balladigem ("February Stars") und rockigem ("Monkey Wrench") macht dieses Album zusammen mit seiner Unbekümmertheit (damals waren die FF noch keine Weltstars) zu einem meiner Lieblings-Alben dieser Band. Überhaupt: Man muss erstmal die Eier haben, ein Rock-Album mit einem Einschlafsong wie "Doll" einzuleiten. Außerdem hat Dave Grohl außerhalb der Metal-Shouter-Fraktion mal eine der besten Brüllstimmen aller Zeiten.

Donnerstag, 6. September 2012

Die Unendlichen Geschichten

Manchmal gibt es Bücher, die werden einem empfohlen. Sei es von Freunden, von Rezensenten oder vom eigenen Gefühl. Und wenn nun das eigene Gefühl zusammen mit Rezensenten dafür spricht, "Hundert Jahre Einsamkeit" von Gabriel García Márquez zu lesen, ist die Sachlage eigentlich klar.

Roman? Chronik! (Quelle)
Normalerweise sollte man sich natürlich von Floskeln wie "Weltliteratur" und "Klassiker" nicht blenden lassen, sowohl in die eine als auch in die andere Richtung. Aber hey! Das Cover sieht schön aus, der Name des Autoren geht einem wohlfeil von der Zunge, der Titel des Buches hat nichts mit einer Liebesschnulze zu tun und muss gerade deswegen genial sein. Hellhörig wird man, wenn man liest, dass es in diesem Buch um die Generationen überspannende Geschichte einer kolumbischen Familie geht, d.h. um Aufstieg und Fall. Kann schwerer Stoff sein, aber bei "Der Pate" hat es ja auch funktioniert. Garniere all das mit "Klassiker des magischen Realismus" und die Voraussetzungen für ein großartiges Lese-Erlebnis liegen einem zu Füßen.

Es ist da! Und es ist dick. Schwerer Stoff, ach ja genau. Die Leseposition wird eingenommen und die ersten Seiten gelesen. Hm, da passiert ja direkt auf den ersten Seiten eine Menge. Kaum ist man gedanklich im Urwald angekommen, werden die ersten Kinder geboren, passieren die ersten unerklärlichen Phänomene. Sehr gut. So mag ich meinen magischen Realismus.

Das Fuck-You von GGM an seine Leser.
(Quelle)
Hundert Seiten durch. Es sind schon eine Menge Kinder geboren worden. Manche sind schon wieder tot. Drei Generationen wuseln durch die Seiten. Alle heißen irgendwie gleich, weil diese Drecks-inzestuöse Sippe gerade einfältig genug ist, die Kinder "José" und "José Aureliano" und "Aureliano" und "José (der andere)" und "José (der junge)" zu nennen. Man ist ein wenig durcheinander. Und verwirrt. Warum gelingt es nicht, zu diesen Personen eine Beziehung aufzubauen? Liegt wohl daran, dass pro Seite etwa drei Monate Familiengeschichte abgehandelt werden. Ganz selten wird es detaillierter. Spannende Szenen wären im Überfluss vorhanden, aber verdammt, warum wird das alles so distanziert erzählt? Ist denn García Márquez im Nebenjob Chronist?

Zweihundert Seiten durch. Was begonnen wird, wird zu Ende gelesen. Es hat sich nicht viel verändert. Wie bin ich so weit gekommen? Sitzfleisch, die sporadischen magischer-Realismus-Szenen und Hoffnung. Hoffnung, dass erstmal die Vorgeschichte erzählt werden muss. Dann wird es spannend! Verdammt! Bitte!

Ende schreibt die "Unendliche
Geschichte". ROFLMAO! (Quelle)
Zweihundertunderste Seite! Fuck this shit! Tiefere Amazon-Recherche verhieß eh nichts gutes in Bezug auf meine Hoffnung.

Wie wohltuend ist da die echte "Unendliche Geschichte"! Eigentlich genau das Gegenteil. Zur Zeit (Hälfte gelesen) bin ich echt begeistert. Die Gründe dafür werden natürlich später dargelegt. Wenn dieses Buch sein Niveau auf voller Länge hält, bin ich echt geneigt zu sagen, dass die "Unendliche Geschichte" eins der besten Bücher aller Zeiten ist.

Aber da haben wir ja das Problem! Bücher sind halt Geschmackssache. Und 'ne Menge Leute haben ja "Unendliche Langeweile" äh "Hundert Jahre Einsamkeit" gelesen und für genial befunden. Es tut mir auch weh, dieses Buch nicht zu mögen. Denn eigentlich will ich das. Waren ja alle Voraussetzungen da. DAMMIT!