Dienstag, 1. Mai 2012

Drei tötliche Alben

Heute mal ein leichtes Thema: Tod. Na gut, nicht so leicht. Aber ich will ja auf die musikalische Verarbeitung des ganzen hinaus. Und deswegen hier nun eine Liste der 666 besten Death-Metal-Bands:

  • Death, Pig Destroyer , (Bitch Please!) Cattle Decapitation (Herden-Köpfung), Gorefest, ...

Layne Staley von Alice In Chains (Quelle)
Okay okay, nur ein Scherz. Wie man auch anders mit dem Thema umgehen kann (und zwar auf Albenlänge), beweisen drei Musiker/Bands, die ich euch vorstellen will. Da es eh sinnlos ist, die Songs auf den Alben in epischer Länge zu beschreiben, will ich nur darlegen, warum ich diese Platten so einzigartig finde. Das heißt nicht, dass ich diese Werke durchgehend genial finde, es geht eher um den Charakter der Platten. 

Antreten tun Alice In Chains, Tom Waits und Lou Reed. Alle drei Alben unterscheiden sich nicht nur im Musikstil, sondern in der Herangehensweise. Kurz zur jeweiligen Vorgeschichte:
Tom Waits von Tom Waits (Quelle)
Alice In Chains: Eine 90er-Rock-Band, welche zu hart für den Grunge und zu weich (sprich "melodiös" und "untechnisch") für Metal war. Nach zwei hervorragenden Studioalben erscheint 1995 das selbstbetitelte "Alice In Chains". Dass dieses erst drei Jahre nach dem Zweitling "Dirt" veröffentlicht wird, ist vor allem auch den ewigen Drogenexzessen des Sängers Layne Staley geschuldet.

"Drugs worked for me for years and now they're turning against me, now I'm walking through hell." (Layne Staley 1996)

Lou Reed von Lou Reed (Quelle)
Tom Waits: Waits fühlte sich seit jeher zu den Schattenseiten der Gesellschaft und den Hinterhöfen der Großstadt hingezogen. Versager, Besoffene und merkwürdige Menschen waren schon immer sein lyrisches Lieblingsthema. Und nun geht es halt um Mord und Tod. Nicht ungewöhnlich für den Herrn Waits. Stilsicher wie immer wird das Album "Bone Machine" betitelt.

Lou Reed: Verlor zwei sehr gute Freunde aufgrund Krebserkrankungen innerhalb kurzer Zeit. Wer ein echter Künstler ist, schreibt dann ein Album darüber. Lou Reed ist ein echter Künstler. Argumentation abgeschlossen. Und das ist mein voller Ernst.

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Alice In Chains - Alice In Chains (1995)

1, 2, 3, ... Da fehlt was! (Quelle)
Fangen wir mit "Alice In Chains" an. "Dirt" war ein hochkreativer Junkie, aus dessen Poren die Ideen nur so herausschossen. Dieser Junkie bewegte sich auf einem sehr schmalen Grat, immer nah am Rande des Wahnsinns. Doch alle Probleme, die schon bedrohlich am Horizont lauern, wurden locker bewältigt, ganz allein aufgrund der überbordenden Energie. 

Nun, drei Jahre später ist der Junkie am Ende. Er liegt am Boden, komatös, den Tod erwartend. Doch die Kreativität ist noch da. Talent bleibt Talent. Heraus kommt ein monströses Album, das sich in die Länge ziehende Songs hat, dem langsamen Hinsiechen des Junkies gleich. Die Atmosphäre ist grabesdunkel und kaum ein hoffnungsvoller Ton ist zu vernehmen. Der Hauptunterschied zu "Dirt" ist die völlige Abwesenheit der damaligen Energie

Ich weiß, das ist schwer zu verstehen, ohne die Songs gehört zu haben. Doch genau das macht das Album für mich aus. Die Songs sind melodiös und gehen auch aufgrund der Texte ins Mark. Aber immer hat man den Eindruck, dass sich Layne (nennen wir das Kind doch beim Namen) im Prinzip schon aufgegeben hat. Die Songs sind die letzte Möglichkeit der Verarbeitung seines Lebens, welches 2002 nach Jahren des langsamen Auseinanderbrechens zu Ende geht. 

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Tom Waits - Bone Machine (1992)

Gleich mal die Atmosphäre von "Bone Machine" klar machen. Der Refrain des ersten Songs "Earth Died Screaming" deklamiert "WELL THE EARTH DIED SCREAMING WHILE I LAY DREAMIN!", in schauderhaftestem Waits-"Gesang". Begleitet wird das ganze von Perkussion, welche einen Knochentanz simulieren, knarzenden Soundeffekten und grotesk verzerrten Gitarrenklängen. Kopfkino at its best!

Und es geht immer weiter mit diesen fantastischen Bildern, welche durch die Songs erzeugt werden. Zum Beispiel bei einem Selbstmörder, der dies aber nicht schafft, denn "The Ocean Doesn't Want Me".  Vorgetragen in ominösem Sprechgesang, mit tollen Textzeilen wie diesen:

The Ocean Doesn't Want Me Today / But I'll Be Back Tomorrow To Play
Down Into The Endless Blue Wine / I'll Open My Head And Let Out All Of My Time
I'd Love To Go Drowning / And To Stay And To Stay

Lalala, alles ist schön. (Quelle)

Untermalt werden diese Bekenntnisse wieder durch langsame Knochendrums (Marimbas) und schwermütige Soundeffekte.

Beim balladenartigen, doch abermals sehr düsteren "Dirt In The Ground" geht es darum, dass wir am Ende nur ... naja ... halt "Dirt In The Ground" sind. Bei "Jesus Gonna Be Here" klagt jemand seinem Herrn und Erlöser sein hoffnungsloses Leid. Jesus wird ihn retten, doch wir als Hörer wissen durch die Atmosphäre und Machart des Lieds sofort, dass dies nicht der Fall sein wird. Zum Abschluss noch ein paar Liedzeilen von "In The Colosseum":


As The Senators Decapitate The Presidential Whore / The Bald Headed Senators Are Splashing In The Blood / The Dogs Are Having Someone Who Is Screaming In The Mud   

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Lou Reed - Magic And Loss (1992)

Zuguterletzt Louuuuuuuuuu. Wenn ich auch viel von ihm als totalen Müll einstufe, fasziniert mich Lou Reed dennoch ungemein. Wenn es jemanden gibt, dem alles um ihn rum egal ist und welcher sein eigenes Ding auf Gedeih und Verderb durchzieht, dann Reed. Gleichzeitig ist er aber mit Feuer dabei, wenn es um Kritik an seinem Werk geht und verteidigt seine "Kinder" wie sein eigen' Fleisch und Blut. 

Louuuuuuuuu! (Quelle)
Kritikpunkte an ihm gibt es genug. Da wäre das ständige kreative Hakenschlagen. Es kann das tiefsinnigste Album mit warmen Akustikgitarren und Celloklängen erscheinen. Kurze Zeit später haut er eine Kollaboration mit Metallica raus, welche von so gut wie allen Kritikern verrissen wird. Nicht vollständig ohne Grund. Auch ist sein Hang zum Sprechgesang (eigentlich grundsätzlich sein Gesang) wohlwollend als "Geschmackssache" zu bezeichnen. 

Mir persönlich gefallen die rockigen, "schnellen" Songs nicht besonders. Dafür sind die langsamen, sich zurücknehmenden Lieder genial. Bei diesen kommt Lou's warme einschmeichelnde Stimme perfekt zur Geltung, da er sie nicht in unschöne Höhen schraubt wie auf den "Rocksongs". Absolut packend finde ich auch seine lyrische Herangehensweise. Er ist ganz eindeutig kein Verfechter von Metaphern und Sinnvergleichen. Die Zeilen, die er liefert, sind ultrarealistisch und ultradirekt. Keine Verschleierung notwendig - viele dieser Zeilen treffen auf diese Weise hochpräzise ihr Ziel. Schöne Metapher! 

Diese Kombination ist der Grund, warum "Magic And Loss" in diesen Songs so großartig ist. Als Beweis seien nur diese beiden Songs verlinkt.

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Woah, langer Post! Im nächsten dann die verbleibenden 662 besten Death-Metal-Bands, geordnet nach Blutrünstigkeit ihrer Namen.

3 Kommentare:

  1. Also zu Alice in Chains stimme ich zu und kann noch ergänzen, daß man Laynes Zustand, die Drogenprobleme und seine depressive Art am deutlichsten im MTV Unplugged Album merkt.

    Die Atmosphäre dort wird, gerade durch die Akustikgitarre, ganz schön bedrückend.

    Und Layne steht irgendwie schon ziemlich neben sich.

    Am Ende von 'Heaven beside you':

    Layne: I would say this is the best gig we have done in 3 years.
    Antwort: But Layne, it's the only one.

    Aber trotzdem, tolles Album, genau wie Dirt ...

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  3. Jo, das Unplugged ist ja verlinkt. "Heaven Beside You" ist fast schon der "frohste" Song auf dem Album (vllt. neben "Over Now"). Und den Kommentar würde ich mal als ironisch auffassen. Da hat Jerry den Layne wohl nicht ganz verstanden.

    Am krassesten ist für mich die Szene vor "Sludge Factory" (http://www.youtube.com/watch?v=P4-304C1sww), wo Layne die Sonnenbrille abnimmt und seine Augen so gelb schimmern. Als ob das Gift in seinem Körper ihn langsam auffrisst *grusel* ;-)

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