Donnerstag, 24. Mai 2012

Paul Nizon - Die gleitenden Plätze

Gleitende Plätze? Was soll das denn sein? Plätze sind doch Plätze, weil sie auf einen Platz festgelegt sind. Wie können die sich dann bewegen? Und gar gleiten? Ist das ein Druckfehler? Müsste es "gleißende Plätze" heißen? Meine Wohnung ist zumindest an Tagen wie diesen auch ein gleißender Platz.

(Mit)Reißende Sätze? (Quelle)
Scheiße, Interesse geweckt. Und mit der Weisheit dessen, der vom Rathaus kommt (bzw. das Buch gelesen hat) muss nun eine Warnung ausgesprochen werden: Dies' Werk ist sehr sehr gewöhnungsbedürftig.

Eine Zusammenfassung fällt leicht bzw. schwer. Leicht, weil es im Prinzip ausreicht, zu sagen, dass "Die gleitenden Plätze" einige Kurzgeschichten enthält, deren umfassende Klammer das Spazierengehen ist. Der Autor versinnbildlicht in diesen Geschichten seine Eindrücke. Schwer, weil das Spazierengehen eben nur die Klammer ist, weil "Kurzgeschichten" eigentlich nicht der richtige Ausdruck ist und weil die Eindrücke des Autors an Stellen höllisch schwer zu entschlüsseln sind.

Die Frage ist ja auch: "Okay, da lässt sich jemand über das Spazierengehen aus. Was soll man da schon schreiben? 'War im Park. Sehr heiß. Nicht viel passiert. Zu schwach für weitere Wor'. Oder eben 'Meine Güte! Wir wurden auf unserem Weg zur Jahrestagung der Freimaurer von Fledermäusen angegriffen. Thor packte schon seinen Hammer aus. Aber ich sagte: Wir können hier nicht anhalten. Das ist Fledermaus-Land. Und dann regnete es Blut...' ".

(Sich)Ausbreitende Schwärze. (Quelle)
Beides ist wie unschwer zu erahnen NICHT der Fall in diesem Druckerzeugnis. Seien wir mal konkret: In einer - sehr kurzen - Geschichte geht es um die Tempi, die Rhythmen des Alltags (so wie es überhaupt immer um den Alltag geht). Da werden die zuckenden, schunkelnden Bewegungen eines in seiner Musik versunkenen Akkordeonspielers dem sanften Auf- und Abgleiten eines Motorbootes entgegengesetzt. Nur um wieder verdrängt zu werden durch das starke und beruhigende Voranwalzen eines Dampfschiffes am Horizont.

Hat das jetzt viel gebracht? Ist das Verständnis so sehr viel besser geworden? Ich denke nicht. Und das ist auch der Punkt. In "Die gleitenden Plätze" geht es nicht um Inhalt und auch nicht um die Form. Es geht um den Moment, um die kreierte Stimmung. Was natürlich impliziert, dass nur derjenige Gefallen finden kann, der sich darauf einlassen kann und es selber liest. Völlig neutral, ohne Wertung.

Ja, es ist ein sehr schwieriges Buch. Die Zeit des Durchlesens zog sich bei mir auch deswegen arg in die Länge. Außerdem oszillieren (huch, ein Fremdwort) die Geschichten qualitativ meiner Meinung auch ein wenig/erheblich. Dadurch taumelt man lesetrunken auf einem sehr schmalen Grat zwischen Aufgeben und Weiterlesen.

Aber wer das Gefühl kennt, um drei Uhr morgens motorisiert durch dunkle Dörfer zu "gleiten", während gleichzeitig Neurosis' "Away"  in voller Lautstärke läuft und einfach alle die Schnauze halten; aber auch wer das Gefühl kennt, endlich einen Film zu verstehen, der einen erstmal sprachlos machte ob seiner unverständlichen Wendungen und Bildergewalt - Der könnte an "Die gleitenden Plätze" vielleicht unter Umständen Gefallen finden.


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