Dienstag, 28. Februar 2012

Beendet: Dostojewskij - Schuld und Sühne

Überwältigend! Wer hätte ahnen können, was in der zweiten Hälfte - nun, eigentlich auf den letzten 100 Seiten (also dem letzten Siebentel, hehe) - noch geschehen würde. Ich bin geneigt, für mich persönlich diesem Buch den Klassiker-Status absolut zuzusprechen.

Aber der Reihe nach. Der Mord bleibt natürlich zentrales Thema im zweiten Abschnitt. Es kristallisiert sich auch heraus, dass man Raskolnikow, der Hauptfigur, nun doch auf die Schliche kommt. Immer wieder duellieren sich er und verschiedene Personen (darunter ein Polizist) bzgl. seiner sehr wahrscheinlichen Täterschaft rhetorisch. Nur rhetorisch, da keine Beweis vorliegen, aber durch die Arroganz von Raskolnikow doch sehr viele Indizien darauf hindeuten. Auch Raskolnikows Beweggründe werden offenbar: Er mordete aufgrund einer von ihm aufgestellten Theorie, die die Menschen in 'normale' und 'geniale' Menschen einteilt. Diese 'genialen' Exemplare hätten jedes Recht, zu tun, was nötig ist, um der Menschheit den Fortschritt zu bringen. Müßig zu sagen, dass er sich in die zweite Kategorie einordnet bzw. genau das herausfinden wollte.

Schlussendlich stellt er sich. Warum? Einerseits spielt seine Familie eine Rolle, welche ihn über alles liebt und welche er dadurch von der ständigen psychischen Belastung, dass er ein Mörder sein könnte, befreien will. Aber auch er selbst muss sich eingestehen, dass er das fortwährende Versteckspiel nicht länger ertragen kann. Weiterhin quält er sich mit der Einsicht, dass er anscheinend zu schwach ist, um ein 'genialer' Mensch zu sein und allein deshalb diese Strafe verdient hat. Und zu guter Letzt hat er mit Sonja jemanden gefunden, der ihn auf seinem Leidensweg begleiten will (wobei er sich nie sicher ist, was er wirklich für sie empfindet).

Die letzten 100 Seiten beginnen nun eine furiose Beschließung der Schicksale der Figuren des Romans, die man so hochdramatisch, aber doch intelligent und einfühlsam nicht erwarten konnte. Meinte ich vorher, dass Dostojewskij kalt und gefühllos schreibt, so trifft das für diese Seiten absolut nicht mehr zu. Jene sind ein feuriges Plädoyer für die Liebe und im größeren Sinne vor allem für die Humanität. Ich habe mich lange gefragt, wohin der Roman steuert, was seine Aussage ist. Zuerst schien eine Psychologie-Studie eines Menschen vorzuliegen, im Rahmen eines Thrillers. Nun erkennt man allerdings, dass dies nur Mittel zum Zweck war und dass es in Wirklichkeit um das Mensch-Sein an sich geht.

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