Dienstag, 20. März 2012

Antonio Lobo Antunes - Die natürliche Ordnung der Dinge


Uff! Das war ein Brocken. Nicht von der Länge, aber vom Lesen und Dranbleiben. Das Buch beschreibt die ineinander verwobene Geschichte mehrerer Familien im Portugal des 20. Jahrhunderts, welches von Diktatur und Revolutionen bestimmt wurde (wobei dies nur eine untergeordnete Rolle spielt, das Buch ist nicht politisch). Jedes Kapitel wird ähnlich einem Brief von einer Person der Familien erzählt. Dies führt dazu, dass sich die Hintergrundgeschichte, das heißt die Schicksale der Personen, erst langsam aufdecken und man vor allem in den späteren Kapiteln sehr interessiert ist, wie denn nun Person A das Ereignis B, von welchem man schon vorher gelesen hatte (z.B. bei Person C), beschreiben wird. Eine rudimentäre Inhaltsangabe findet sich, wenn ihr auf das Cover klickt.

Quelle
Warum war das Lesen und Dranbleiben so schwierig? Aus mehreren Gründen. Beispielsweise sind keinerlei Anführungszeichen, die wörtliche Rede kennzeichnen, vorhanden; wie auch Absätze selten vorkommen. Die Sprache ist sehr verspielt (alle Personen sind anscheinend äußerst poetisch begabt :-) und zeichnet sich durch lange, nicht verschachtelte, aber durch "und" sowie Wiederholungen verlängerte Sätze aus:

"und ich würde es sein, die, weit weg von Beja, weit weg von der Kälte in Beja im Winter, weit weg von den vom Rauhreif verbrannten Getreidefeldern, weit weg vom Wind, der wie ein Zug heulend über die Ebene fuhr, für ihn sorgte, ihn ernährte, ihn vom Kot reinigte, ihn anzog und ihn auszog, ihn ins Bett brachte."

Munter werden zudem an einigen Stellen Personenperspektiven oder Zeitebenen im Satz geändert. Meistens kann man diesen Sprüngen folgen, doch bedarf es dafür schon einiger Konzentration.

  "und die Rolläden waren hochgezogen, und sie, über mich gebeugt, nach Getreide und dem Silberputzpulver riechend, rüttelte an meiner Schulter, Junger Herr, junger Herr,
   und ich, in die Bettücher vergraben, Laß mich los, geh zum Teufel, laß mich los, Amália,
   und der Dicke zum anderen, Müde, Fonseca, dieser Idiot sagt, er ist müde, gib ihm Saures,
   und ich zum Dicken, ohne die Schläge zu fühlen, Ich werde meiner Mutter sagen, daß du mich beschimpft hast, Amália, ich werde meiner Mutter sagen, daß du mich geschlagen hast,
   und das Dienstmädchen, Ich habe Sie nur ein ganz klein wenig geschüttelt, junger Herr,
   und der andere, Schluß, Duarte, laß ihn, hör damit auf, der Mann ist ohnmächtig geworden,
   und der Dicke, Ohnmachten interessieren mich nicht, mir tut es nur um jeden Schlag leid, der nicht gesessen hat."

Antonio Lobo Antunes (Quelle)
Dazu kommt, dass an einigen Stellen fantastische Aspekte auftauchen und man nie sicher sein kann, wie das nun gemeint ist. Antunes wird zum magischen Realismus gezählt und ist wohl bekannt für die Verquickung von Realität und diesen Fantasy-Elementen. Ein wenig wie ein Tim-Burton-Film.

Das Urteil? Ein schönes Buch, was fast schon spirituell rüberkommt, aber dem Leser doch einiges abverlangt. Wer bereit ist, ein paar Tage hochkonzentriertes Lesen zu investieren, kann das Buch aufgrund von Sprache und Atmosphäre lesen. Der Rest sollte wohl einen Bogen drum machen.

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