Donnerstag, 21. Juni 2012

Javier Marías - Mein Herz so weiß

Ja, der Titel klingt nach "Schnulze". Doch oha, er stammt aus "MacBeth". Ein Buch mit künstlerischem Anspruch also. Rette sich, wer kann!!
Cooler Ohrring! (Quelle)

Aber nein, so ist es nun auch wieder nicht. "Mein Herz so weiß" ist ein sehr schönes Buch mit zwei, drei Schwächen, die aber nicht besonders ins Gewicht fallen. Und als Student lernt man ja auch strukturiertes Denken *örks*, also gehe ich mal ganz systematisch ran.

Hier die Argumente, warum das Buch gut ist:

  • Der Einstieg in das Buch ist genial, genial, genial. "Mit der Tür ins Haus fallen" wird hier ganz neu definiert. Direkt der erste Satz gleicht einem Schlag in die Magengrube, denn in ihm erfahren wir sofort den Dreh- und Angelpunkt der Geschichte: Eine junge Frau geht während eines Familienessens seelenruhig ins Bad, entkleidet sich und schießt sich mit einer Pistole in die Brust. Die darauf folgende Beschreibung der Reaktionen der Familie ist höchst voyeuristisch und genau deswegen so bewegend.

  • Erzähler des Buchs ist Juan, Neffe des o.g. Mädchens, welcher damals noch nicht geboren war. Er beschreibt sein Leben als Dolmetscher und vor allem seine Schwierigkeiten und Gedanken als frisch gebackener Ehemann seiner Frau Luisa. Diesen Überlegungen hört man als Leser gerne zu (paradox!), denn sie spiegeln oft das wieder, was einem selbst höchstens unterbewusst klar ist oder was sonst unausgesprochen bleibt.

  • Einige Szenen, welche aus seinem Dolmetscher-Leben zum Besten gegeben werden, sind äußerst originell und lustig zu lesen. So übersetzt er beim Treffen zweier Regierungschefs die Worte der beiden mit Absicht falsch um ein (für ihn) interessanteres Gespräch ins Laufen zu bringen.

  • Juan's Vater Ranz ist der eigentliche Star des Buchs. Er ist der Mann des Mädchens, welches sich umgebracht hatte. Das ganze Buch über hat man das ungute Gefühl, dass irgendwas diesen lebensfrohen Mann kompromittieren wird. Langsam wird diese Spannung immer unerträglicher, bis sie am Ende mit einem großen Knall aufgelöst wird. Und wenn sie das dann wird, kann man es nicht glauben, obwohl es über das ganze Buch über angedeutet wird (aber eben sehr subtil).

  • Trotz spanischer Herkunft des Autors (welch Stigma!) ist der Schreibstil relativ flüssig und nicht zu blumig. Auch sehr lange Sätze bringen einen nicht aus dem Lesefluss, weil sie gleichzeitig künstlerisch und nachvollziehbar sind. Insgesamt liegt hier ein warmherziger Schreibstil vor, der aber nie zu kitschig wird, wenn es um Gefühle geht.


Was ist nicht so gelungen?

Chafjeh Marrrriasfsfs (Quelle)
  • Die Beschreibung von Luisa gefällt mir nicht. Ich bin mir bewusst, dass sie einem Archetypen entsprechen soll. Aber muss dieser Archetyp wirklich der der perfekten Frau sein? Sie ist hübsch, intelligent, lebenslustig, ordentlich und moralisch einwandfrei. Das Problem bei dieser Typisierung ist meiner Ansicht nach, dass die Figur niemals zum Leben erwachen kann, da sie so verdammt makellos und damit unglaubwürdig ist.

  • Die erste Hälfte des Buchs ist besser als die zweite. In dieser zweiten Hälfte wird viel Zeit auf die Beschreibung von anderen Beziehungen verwandt, wahrscheinlich, um das Spektrum von Beziehungstypen abzudecken (da das Buch ja auch einen philosophischen Anspruch hat). Zur Geschichte trägt das aber nicht sehr viel bei.

  • Feel-Good-Ende-Of-The-Summer (in Form des Epilogs). Lame! Deswegen hol ich das eigentlich angedachte Ende hier nach :


Lady MacBeth: 

"Meine Hände Sind blutig wie die deinen; doch ich schäme Mich, daß mein Herz so weiß ist."



Dienstag, 12. Juni 2012

Antoine De Saint-Exupéry - Der Kleine Prinz

Blond und blauäugig! (Quelle)
Es verbietet sich meiner Meinung nach, viel über "Der Kleine Prinz" zu schreiben. Denn was macht den Zauber dieser Geschichte aus? Jedenfalls nicht die mannigfaltigen Deutungsmöglichkeiten, die von "Literaturwissenschaftlern" (Literaten?) vorgeschlagen wurden. Diese sind doch eher das Produkt eingehender Beschäftigung mit der Frage "Was kann der Autor gemeint haben (, was noch nicht von anderen so erkannt wurde)?". Glaubt denn wirklich jemand, dass sich diese Leute beim Lesen spontan gedacht haben "Wow, das ist eine Allegorie auf das besetzte Frankreich im 2. Weltkrieg"? Ich will gar nicht abstreiten, dass man manche Stellen entsprechend interpretieren könnte. Aber im Vordergrund sollte doch die Geschichte stehen. Kein Autor schreibt eine Geschichte nur als metaphorisches Vehikel seiner "Zivilisations- und Religionskritik" (wie ich es auf verschiedenen Websites lesen konnte).

"Der Kleine Prinz" ist ein Märchen, punktum. Es besticht vor allem durch seine zauberhafte Einfachheit. Der Prinz ist ein neugieriges, kindartiges Wesen, welches allerlei Fragen stellt und "mit dem Herzen sieht". Im Unterschied zu anderen Erzeugnissen ähnlicher Natur wird das aber nicht pro Seite zweimal betont, sondern man merkt und fühlt es einfach beim Lesen. Auf seiner Reise durch das Weltall (er kommt von einem Planeten, welcher so klein ist, dass er pro Tag 43 Sonnenuntergänge sehen kann, indem er einfach seinen Stuhl weiterrückt) trifft er viele andere Spezies, welche allegorisch für Charaktereigenschaften stehen (der König, der Eitle, der Säufer usw. usf.). Stets besorgt um seine eine Blume (welche er hingebungsvoll pflegt) und seine drei Vulkane (welche ihm bis zur Hüfte gehen) begegnet er auf der Erde einem abgestürzten Piloten in der Wüste (AdSE selbst?), welcher die Erzählerrolle einnimmt. 

Auf einem Flug verschollen: AdSE (Quelle)
In erster Linie ist die Geschichte rührend, in zweiter Linie Transporteur verschiedener Lehren. Diese sind natürlich grundlegender Natur (sich um andere kümmern, sie nicht von oben herab behandeln, über andere richten ...), werden aber nicht mit dem Vorschlaghammer eingetrichtert.

Nicht mehr, aber auch nicht weniger ist zu diesem Büchlein zu sagen. Es verdient Aufmerksamkeit aufgrund seiner Qualität, aber nicht die übertriebene, welche ihr von deutungswütigen DasLiterarischeQuartettGuckern zuteil wird. 

Freitag, 8. Juni 2012

Paulo Coelho - Der Alchimist

In der Tradition der Harald-Schmidt-Show ein kleines Bilderrätsel:



Nie war ein Buch für den Titel dieses Blogs so geeignet, ist es doch mit folgenden Afforismen hinreichend beschrieben:

Folge deinem Herzen!
Der Weg ist das Ziel.
Live for the moment!
Die Augen sind der Spiegel der Seele.
Love conquers everything.
Gott ist in allem.
Hör auf dein Innerstes!

New-Age-Klassiker. (Quelle)
Falls jemand an der Geschichte interessiert ist: Spanischer Schafshirt träumt von Schatz bei den Pyramiden, trifft superultraweisen Mann, der ihn bestärkt ("Folge deiner Bestimmung, Luke!"). Er geht nach Afrika, erlebt dort einige Rückschläge, findet die Liebe, trifft auf Karawane DEN Alchimisten (=Yoda), welcher ihn lehrt, auf die "Weltenseele" zu hören. Er kommt bei den Pyramiden an und ... naja, nicht gleich alles spoilern.

Auf der Buchrückseite wird "Der Alchimist" damit beworben, dass es ein modernes "Der kleine Prinz" sei. Hmm, ich fand schon "Der kleine Prinz" nicht so überwältigend, wie es viele tun. Doch wenigstens hatte diese Geschichte gegenüber "Der Alchimist" den Vorteil, nicht mal halb so lang zu sein. Außerdem war es ein Märchen, welches zauberhaft war und welches man auch kleinen Kindern vorlesen kann. Kurz: es nahm sich weißgott nicht so wichtig wie "Der Alchimist" mit seinem immer wiederkehrenden spirituellen Öko-Herz-Bestimmungs-InJedemSandkornBistAuchDu-Gefasel. Aaaaaarrrrrrrgggggghhhhhhh!



Donnerstag, 31. Mai 2012

Italo Calvino - Wenn ein Reisender in einer Winternacht


Gefährliche Lektüre! (Quelle)
Du, lieber Leser, schlägst "Wenn ein Reisender in einer Winternacht" mit einem vorsichtigen Ruck auf (um das Geräusch der Dehnung des Einbandes dieses fabrikneuen Buches zu genießen). Kaum beginnst du zu lesen, da bemerkst du ein leises Zischen. Es ist kaum hörbar und kommt näher. Unmöglich zu sagen, woher genau, aber der Abstand zwischen seiner Quelle und deinen Ohren verringert sich ganz offensichtlich immer mehr. Nun wird es sogar noch lauter und scheint aus verschiedenen Richtungen zu kommen. Nein, nicht aus unterschiedlichen! Aus dem Buch! Und mit einem Male packt es dich und wirft dich, ähnlich einer aus seiner astenen Verankerung gerissenen Baumfrucht, in den unterliegenden Strom.

Der Aufprall ist gar nicht so schmerzend, wie du ihn dir während deines nur lidschlaglangen Sturz ausgemalt hast. Die Strömung ist gemächlich, aber sehr direkt. Du treibst, kommst aber nicht an die Ufer. Einige im Fluß befindliche spitz aufragende Steine pieken dich und bohren sich ein paar Milimeter in deine Haut. Das schmerzt nun schon ein wenig. Nach einiger Zeit fühlst du ein paar Verwirbelungen, welche dich wie einen Kreisel im Wind desorientiert zurücklassen. Auf einmal merkst du, dass die unter dem Wasser aufsteigende Böschung dir Standfestigkeit gibt und du am Ufer angelangt bist.

Der Strom des Lesens. (Quelle)
Doch was passiert da gerade? Eben, als du den Kopf hobst um deinen Fluchtweg zu planen, da sahst du einen Weg, der schnurstracks wieder zu deinem Heim führt. Jedoch, warum türmt sich dann auf einmal eine gewaltige Klippe vor dir auf? Du betastest sie, um ihren Realitätsgrad abzuschätzen und tatsächlich, sie ist da und ragt bedrohlich mehrere Hundert Meter vor dir auf. Aber es nützt ja nichts, du beginnst zu klettern. Anfangs sind die Griffe leicht zu finden und du kommst gut voran. Doch irgendwie vernebeln sich deine Sinne, je weiter du nach oben steigst. Du beginnst zu phantasieren. Du denkst an eine Geschichte eines einsamen Wetterstations-Meteorologen, der tief in Intrigen verstrickt ist. Sie ist spannend. Komisch, obwohl du sie kennst, kommt dir immer nur jeder nächste Satz ins Gedächtnis, wenn du gerade an ihm angelangt bist. An dem Punkt, wo ein Sturm (in der Geschichte) aufzieht und der Meteorologe, nass und verdunkelt in der Tür stehend, dich mit rachsüchtiger Stimme für seine Probleme verantwortlich macht, obwohl du ihm (den du nicht kanntest) nur helfen wolltest, als er dich bat, für eine Weile seine Station zu übernehmen, knackt etwas. Es ist der Griff, an dem du hängst! Er löst sich zielstrebig ab und befördert dich zurück in den Fluss.

Dieser Aufprall war nun schon etwas härter als vorher. Aber du bist da, wo du auch vor 20 Minuten schon warst: im Strom, getrieben, mit kleinen Felsspitzen, die dir wehtun. Trotzdem ist etwas anders. Die Strömung ist stärker und du merkst auch warum: vor dir schäumt - das Licht diffus brechend - ein kleiner Wasserfall.

Deine Anstrengungen, dem Buch zu entkommen. (Quelle)
Als du rasend schnell den Wasserhang hinab fällst, wirst du an ein weiteres Ufer gespült. Und es wiederholt sich das schon bekannte Spiel. Ein Abhang entsteht vor dir, welchen du aufsteigst. Die Geschichte, welche du nun halluzinierst (sie hat etwas mit einem Liebesdreieck in einer von der Revolution überrannten Stadt zu tun), baut sich vor dir auf. Als dir deine Geliebte eröffnet, sie sei Konterrevolutionärin und müsse dich nun umbringen, sagst du, du wärst dafür abgestellt worden, sie zu überwachen, denn sie sei Revolutionärin. In dem Moment sagt der andere... Dein Halt verringert sich und du landest abermals im Wasser.

Der dich in den Fluß stieß und die      
Gemäuer erschuf. (Quelle)
Erschöpft verfällst du, lieber Leser, du Getriebener, in eine Trance. Kann es sein, dass dieser Zyklus aus dem immer schnelleren Treiben im Strom, dem Spülen ans Land, dem Aufstieg und dem darauf folgenden Fall zurück in den Fluss sich auch in deiner Trance dauernd wiederholt? Jedenfalls türmen sich immer mehr Geschichten auf, die kurz vor ihrem spannendsten Punkt abbrechen. Es geht um Gangster, die ein verworrenes Netz von Spiegelstrukturen, von gefälschten Limousinen, von unechten Geliebten aufbauen, nur um seinen Feinden einen Schritt voraus zu sein. Es geht um mexikanische Sagengestalten, die sich an dir rächen, weil du der Sohn deines Vaters bist. Und um einen japanischen Studenten, der erst die Tochter seines Professors begehrt und dann bei der Mutter landet. Nur um zu sehen, dass alles das ein Plan des Professors war. Und jedes Mal weißt du nicht, wie es weiter geht. Jedes Mal landest du im Wasser, welches, wer weiß warum, nach jeder Geschichte ein wenig wärmer geworden ist.

Du wachst auf. Du bist auf eine magische Art und Weise ans Land gekommen und keine felsige Schutzmauer versperrt dir den Weg nach draußen. Ein wenig verwirrt ob deiner Erfahrungen der letzten Stunden, Tage oder Wochen (du bist nicht sicher), nimmst du den Weg nach Hause und fragst dich, ob dir so etwas schon mal passiert ist. Zuhause angekommen merkst du, dass "Wenn ein Reisender in einer Winternacht" verschwunden ist.

Dienstag, 29. Mai 2012

Alben-Reviews - Mini Edition - Folge 1

Nachfolgend stell ich euch in kurzen Worten ein paar ausgewählte Alben vor, die mir in letzter Zeit irgendwie besonders vorkamen.

Mark Lanegan - Blues Funeral (Quelle)
Das Beste sofort am Anfang: Mark Lanegan - "Blues Funeral". Mit seiner charismatisch tiefen kraftvollen Stimme hat der für mich schon immer Potential gehabt für tiefschürfende dunkle Loner-Songs. Aber erst mit "Blues Funeral" ist er angekommen. Dieses Album ist vor allem eins: gleichbleibend gut und abwechslungsreich. Am Anfang fallen einem natürlich die beiden besten Songs "Bleeding Muddy Waters" und "Ode To Sad Disco" auf, aber je länger man hört, desto mehr erfreut man sich auch an den anderen Songs. Diese bestechen neben dem traditionellen Bandsetup durch wohldosierten Einsatz von Elektronikelementen und durch ihren Genre-Abwechslungsreichtum. Da gibt es Blues, Disco, Pop aber straighten Rock natürlich auch. Zusammengehalten wird alles von Lanegan's Stimme. Wie aus einem Guss.

Esben And The Witch - Violet Cries (Quelle)
So'n wenig Indie-Zeuchs hört man ja auch immer mal. Zumindest wenn es so klingt wie Esben And The Witch. Auf "Violet Cries" ist die Grundstimmung eine Art Schaueratmosphäre (weiblicher Gesang mit tonnenweise Echo und langgezogenen sirenenartigen Passagen). Songs werden langsam aufgebaut, indem die gleiche Passage immer wieder wiederholt wird (mit kleinen Änderungen). Wenn das jetzt langweilig klingt: ja, das ist es manchmal auch. Aber an den Stellen, wo es funktioniert (einer musikalischen Trance ähnlich), kann man förmlich sehen, wie Hexen in einer mondlosen Nacht Stierblut trinken und Opfergaben bereiten. Am besten kann man sich davon beim "Marching Song" überzeugen, dessen Video in etwa die musikalische Herangehensweise widerspiegelt.

Ministry - Relapse (Quelle)
Richtig gefreut hab ich mich auf Ministry's neues (letztes, jaja) Album. Doppeldeutig "Relapse" betitelt. Und was soll man dazu sagen? Es geht auf die Zwölf. Ziemlich. Aber so ganz will sich die Freude dann doch nicht uneingeschränkt einstellen. Klar, der erste Track ist stattlich (typisch Ministry-cooles-uLtRa-m3g4-p1s5eD-0ff-Intro) und der zweite ("Double Tap") noch mal eine Steigerung (keine Gefangenen!). Aber bis vielleicht noch auf die für Ministry-Verhältnisse poppige Single "99 Percenters" (Mongovideo-Alarm!) haut mich das ganze nicht mehr vom Hocker wie frühere Werke. Gut bleibt "Relapse" dennoch. Ich freu mich vor allem auf das Konzert, da dann hoffentlich mehr von den alten Alben. Und wer weiß? Vielleicht beweisen ja einige der neuen Songs ungeahnte Livequalitäten *hoff*.

Killing Joke - MMXII (Quelle)
Auch so 'ne alte Band sind ja Killing Joke. Man könnte sogar sagen, sie sind genreverwandt mit Ministry. Immerhin gibt's auf "MMXII" (wie originell!) viel Industrial zu hören, aber doch bei weitem nicht mehr so viel wie früher. Für mich erfreulich schlichen sich ganz offenbar die New-Wave-Einflüsse der 80er wieder zurück in das Joke'sche Soundkorsett. New Wave heißt nämlich dann auch: vermehrt Clean-Stimme des Sängers, nicht durchgängig die (aber richtig geile) Gr0wl-Gurgel-Orgie der letzten Alben. Gewichen sind bis auf ein zwei Ausnahmen die langen Songs. Stattdessen bewegt man sich hier im Bereich der 4 Minuten. Ändert aber nix daran, dass Killing Joke ein echt starkes Album abgeliefert haben. Anspieltipps sind "In Cythera" und "Primobile".

Soulsavers - The Light The Dead See (Quelle)
Zum Abschluss noch die Soulsavers. Diesmal mit Dave Gahan am Mikro. Ansonsten kann ich mit Depeche Mode (mangels Motivation, mich mit ihnen zu beschäftigen) nicht viel anfangen. Kenne auch kaum etwas. Aber holy shit! Gahan's Stimme ist dermaßen wohlklingend, dass mir viele Songs von "The Light The Dead See" schon nach zwei Durchläufen erstaunlich gut gefallen haben. Insgesamt klingen fast alle Lieder sehr soulig, so ein wenig nach Südstaaten-Gospel meets Spaghetti-Western, haben aber ganz tief unten eine düstere Grundatmosphäre. Als gute Beispiele seien hier "In The Morning" und "Presence Of God" (jeweils nur für Leute mit GEMA-Unblocker dummerweise *hustproxtubehust*) genannt. Richtig finden tut man leider nur die nich' ganz so pralle Single "Longest Day".

Donnerstag, 24. Mai 2012

Paul Nizon - Die gleitenden Plätze

Gleitende Plätze? Was soll das denn sein? Plätze sind doch Plätze, weil sie auf einen Platz festgelegt sind. Wie können die sich dann bewegen? Und gar gleiten? Ist das ein Druckfehler? Müsste es "gleißende Plätze" heißen? Meine Wohnung ist zumindest an Tagen wie diesen auch ein gleißender Platz.

(Mit)Reißende Sätze? (Quelle)
Scheiße, Interesse geweckt. Und mit der Weisheit dessen, der vom Rathaus kommt (bzw. das Buch gelesen hat) muss nun eine Warnung ausgesprochen werden: Dies' Werk ist sehr sehr gewöhnungsbedürftig.

Eine Zusammenfassung fällt leicht bzw. schwer. Leicht, weil es im Prinzip ausreicht, zu sagen, dass "Die gleitenden Plätze" einige Kurzgeschichten enthält, deren umfassende Klammer das Spazierengehen ist. Der Autor versinnbildlicht in diesen Geschichten seine Eindrücke. Schwer, weil das Spazierengehen eben nur die Klammer ist, weil "Kurzgeschichten" eigentlich nicht der richtige Ausdruck ist und weil die Eindrücke des Autors an Stellen höllisch schwer zu entschlüsseln sind.

Die Frage ist ja auch: "Okay, da lässt sich jemand über das Spazierengehen aus. Was soll man da schon schreiben? 'War im Park. Sehr heiß. Nicht viel passiert. Zu schwach für weitere Wor'. Oder eben 'Meine Güte! Wir wurden auf unserem Weg zur Jahrestagung der Freimaurer von Fledermäusen angegriffen. Thor packte schon seinen Hammer aus. Aber ich sagte: Wir können hier nicht anhalten. Das ist Fledermaus-Land. Und dann regnete es Blut...' ".

(Sich)Ausbreitende Schwärze. (Quelle)
Beides ist wie unschwer zu erahnen NICHT der Fall in diesem Druckerzeugnis. Seien wir mal konkret: In einer - sehr kurzen - Geschichte geht es um die Tempi, die Rhythmen des Alltags (so wie es überhaupt immer um den Alltag geht). Da werden die zuckenden, schunkelnden Bewegungen eines in seiner Musik versunkenen Akkordeonspielers dem sanften Auf- und Abgleiten eines Motorbootes entgegengesetzt. Nur um wieder verdrängt zu werden durch das starke und beruhigende Voranwalzen eines Dampfschiffes am Horizont.

Hat das jetzt viel gebracht? Ist das Verständnis so sehr viel besser geworden? Ich denke nicht. Und das ist auch der Punkt. In "Die gleitenden Plätze" geht es nicht um Inhalt und auch nicht um die Form. Es geht um den Moment, um die kreierte Stimmung. Was natürlich impliziert, dass nur derjenige Gefallen finden kann, der sich darauf einlassen kann und es selber liest. Völlig neutral, ohne Wertung.

Ja, es ist ein sehr schwieriges Buch. Die Zeit des Durchlesens zog sich bei mir auch deswegen arg in die Länge. Außerdem oszillieren (huch, ein Fremdwort) die Geschichten qualitativ meiner Meinung auch ein wenig/erheblich. Dadurch taumelt man lesetrunken auf einem sehr schmalen Grat zwischen Aufgeben und Weiterlesen.

Aber wer das Gefühl kennt, um drei Uhr morgens motorisiert durch dunkle Dörfer zu "gleiten", während gleichzeitig Neurosis' "Away"  in voller Lautstärke läuft und einfach alle die Schnauze halten; aber auch wer das Gefühl kennt, endlich einen Film zu verstehen, der einen erstmal sprachlos machte ob seiner unverständlichen Wendungen und Bildergewalt - Der könnte an "Die gleitenden Plätze" vielleicht unter Umständen Gefallen finden.


Mittwoch, 16. Mai 2012

F. Springer - Bougainville


Einladender Einband (Quelle)

-- „Wenn ich dem täglichen Elend entfliehen will, dann sage ich leise diese Namen auf: Cape Farewell in Neuseeland, Alice Springs in Australien, Mandalay in Birma und Bougainville in der Südsee, ach Bougainville...“ Wie eine Zauberformel, wie ein Geständnis hat der UN-Botschafter Tommi Vaulant den Namen der schönsten aller Südsee-Inseln ausgesprochen: Bougainville. Und sich mit dieser rätselhaften Schwärmerei von Bo, dem Freund aus Kindertagen und niederländischen Botschaftsangestellten in Dacca, verabschiedet. Zwei Tage später schwimmt Vaulant in einer paradiesischen Bucht weit ins Meer hinaus und kehrt nicht mehr zurück. --         (aus der Amazon-Beschreibung)

Klang eigentlich ganz brauchbar. Eine Geschichte über Fernweh, über exotische Orte der Welt vermischt mit ein wenig Krimi oder was ähnlichem hatte ich erwartet. Es kam leider ein wenig anders. Oder nicht? Eigentlich geht es in "Bougainville" ja wirklich um exotische Orte. Meistens allerdings um Indonesien und Bangladesch, aus Sicht der "zivilisierten" Westeuropäer. Es werden kleine Anekdoten erzählt, welche dummerweise die Eigenheiten dieser Länder bestenfalls andeuten. Auch da hab ich mir mehr erhofft.

Die zwei Handlungsstränge (von Eisenbahnpionier Opa und Diplomat Enkel, jeweils ausgedehnt auf ihre ganze Lebensspanne) sind ganz nett, aber transportieren bei mir nicht das Gefühl, daß ihr Leben "ein Geheimnis nicht preisgegeben [hat]" oder daß sie "eine große Sehnsucht [treibe]", wie es auf dem Buchrücken zu lesen ist. Auch ist meiner Meinung nach die Lebensgeschichte der zwei Figuren jetzt nicht sooo aufregend bzw. fesselnd.

F. Springer: früher selbst Diplomat, jetz' tot. (Quelle)
Ein wenig interessanter ist da schon die dritte Person, welche als Erzähler der Anekdoten von Opa und Enkel fungiert. Zwar hat auch diese nicht sonderlich viel interessantes zu berichten, aber die Erlebnisse sind insgesamt ein wenig spannender, mehr zum Punkt. Wohingegen die Erzählweise bei den anderen beiden oft an Einzelheiten und fremden Begrifflichkeiten (ausländische Namen, Bezüge auf historische Gegebenheiten) krankt.

Zusammengefasst ist "Bougainville" wohl Geschmackssache. Und Geschmack ändert sich oftmals mit Zeit, Raum und Umständen. Die Frage ist, ob ein Buch, welches einem nur dann gefällt, wenn gerade alle Sterne in der richtigen Konstellation am Himmel stehen und der Vollmond sich zu 7/8 zeigt, gut ist. Gibt es nicht Bücher, die unbedingt gefallen, welche also immer gut sind? Ist das überhaupt wichtig? Fragen über Fragen. Fakt ist, Bougainville war für mich leider nur durchschnittlich zu lesen.